Die Tote im Regen by Artmeier Hilde

Autor:Artmeier, Hilde [Artmeier, Hilde]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492976039
Herausgeber: Piper Verlag GmbH
veröffentlicht: 2017-02-16T09:40:08+00:00

12

Im BellaDonna hatten wir alle Hände voll zu tun. Jenny war ausnahmsweise schon vor mir eingetroffen, Mona kam erst kurz nach zwölf. Der Laden brummte, wie immer an den Adventssamstagen. Der Ständer mit den Accessoires aus Mailand, den ich vorgestern erst bestückt hatte, war bald wieder zur Hälfte leer, und auch die Regale lichteten sich mehr und mehr. Sogar das Spitzenkleid in Karminrot ging über den Ladentisch, und fast alle Tuniken waren verkauft.

Bei der ersten Gelegenheit rückten mir Jenny und Mona mit dem Dauerthema zu Leibe, das ich am wenigsten leiden mochte: Wann würde ich bei diesem Umsatz endlich ihren Stundenlohn erhöhen? Wieder musste ich ihnen erklären, wie knapp meine Kalkulation war, wie hoch die Miete und die Nebenkosten waren, und am Ende einigten wir uns irgendwo in der Mitte.

Während weitere Kundinnen das BellaDonna durchstöberten, überlegten Mona und ich, wie wir den Laden und die inzwischen halb leeren Schaufenster neu dekorieren sollten. Das brombeerfarbene Abendkleid, das Nellie trug, hing zwar noch in der Auslage. Aber ich brauchte dringend neue Ware. Hoffentlich erholte sich Gina bald von ihrer Erkältung.

Zwischendurch versuchte ich es wieder bei Vincenzo. Zu meinem Erstaunen erreichte ich ihn. In den Laden wollte er nicht kommen. Chillen bei Alex und Patrick sei echt cooler, meinte er, in die Ballettschule müssten sie auch noch, und seine gestrigen Einkäufe könne ich schließlich auch am Abend begutachten. Immerhin gab er mir die Adresse in Kumpfmühl, wo ich ihn um Viertel nach acht abholen sollte. Dann setzte ich mich an den Computer. Ich hielt im Internet Ausschau nach günstigen Angeboten für ein repräsentatives Firmenschild für meine Detektei, fand aber nichts Passendes.

Dreimal lachte mein Handy, und jede SMS war von Maximilian. Zuerst schwärmte er von unserer Wahnsinnsnacht. Dann schrieb er, alle Zufahrtswege seien von dem vielen Schnee inzwischen gänzlich verstopft, seine Kollegen und er hätten aber glücklicherweise zwei Doppelzimmer in einer Pension aufgetrieben. Bei der dritten Nachricht fragte er, warum ich immer so einsilbig antwortete. Ich schob alles

auf die viele Arbeit, verfluchte im Stillen den Umstand, dass er verheiratet war, hoffte aber dennoch inkonsequenterweise, er würde sich wieder melden.

Als es gegen halb fünf endlich ruhiger wurde im Laden, fiel Jenny ihre gefürchtete Prüfung in Pflanzenphysiologie ein, durch die sie beim ersten Mal gerasselt war. Sie musste dringend lernen. Da wir heute einen guten Umsatz gemacht hatten und in den Abendstunden ohnehin nicht mehr viel geschehen würde, schickte ich sie nach Hause. Auch Mona stand bald in Mantel und Stiefeln vor mir. Der Plan für ihren restlichen Samstag war klar: Olaf, Bedienen in der Kneipe, Olaf. Da nun wirklich nichts mehr los war, entließ ich auch sie und räumte die letzten herumliegenden Pullover auf. Anschließend öffnete ich die Post, für die ich bisher noch keine Zeit gehabt hatte, sortierte Rechnungen, warf die Werbung in den Papiereimer, inspizierte meinen Vorrat an Tüten und gab per Mail eine neue Bestellung in Auftrag. Nachdem ich die neuen Nachrichten in der Mailbox überflogen hatte – es war nichts Wichtiges darunter –, faltete ich wieder Pullis und Shirts, um nur irgendetwas zu tun.

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